Interview mit Didier Lallemand, CEO von Treezor und Julien Maldonato, Partner FSI Deloitte
Können Sie uns die von Treezor angebotenen Dienstleistungen vorstellen?
Didier Lallemand: Die Beantragung einer Lizenz für Zahlungsinstitute (PI) oder E-Geld-Institute (EMI) bei der französischen Aufsichts- und Abwicklungsbehörde (ACPR) kann zeitaufwändig und kostspielig sein, insbesondere für Unternehmen, die ihre Geschäftstätigkeit gerade erst aufnehmen. Aus diesem Grund haben Eric Lassus und Xavier Labouret im Jahr 2016 Treezor gegründet. Treezor ist eine Banking-as-a-Service (BaaS)-Plattform, die Fintechs verfügbare Zahlungsdienste über eine API anbietet. Die Genehmigung für diese Zahlungsdienste holt sich Treezor bei der ACPR, oder die Partner selbst bei einer EU-Aufsichtsbehörde. Es ist ein Sprungbrett für Start-ups und unternehmerische Projekte, die ohne lange Warte- und Entwicklungszeit auf den Markt kommen wollen und dabei von einer bewährten regulatorischen und technologischen Basis profitieren.
Treezor wurde 2019 von der Société Générale Group übernommen und konnte damit sein Angebot für Großunternehmen erweitern. Die von Treezor angebotenen Dienstleistungen decken die gesamte Zahlungskette ab, vom Anbieter elektronischer Zahlungsdienste bis zur Ausgabe von E-Geld. Treezor bietet seinen Kunden als BaaS (Banking-as-a-Service) Anbieter eine technische und regulatorische Lösung, oder als Payment Service Provider (PSP) den technischen Baustein nach dem Vorbild eines Core Banking Systems (CBS).
Treezor ist von der ACPR als E-Geld-Institut zugelassen und zudem Hauptmitglied der Zahlungskarten-Netzwerke Mastercard- und Visa.. Seit der Erweiterung seiner Aktivitäten bei der ACPR, ist Treezor das erste zugelassene französische Institut, das über alle Lizenzen für Zahlungsdienste verfügt ( Services 1 bis 8 ).
Wie stärkt die Partnerschaft mit der Société Générale Ihr Leistungsangebot auf dem französischen Markt?
Didier Lallemand: Der Zusammenschluss mit der Société Générale verschafft uns eine größere Sichtbarkeit und Relevanz bei großen Unternehmen. Vor allem hinsichtlich der Erfüllung deren hohen Compliance-Anforderungen im Hinblick des Risikoniveaus, der Prozesse und der Governance. Treezor hat sein Angebot weiter angepasst, um die Erwartungen dieser Unternehmen zu erfüllen, die eher auf der Suche nach sehr modularen Service-Bausteinen sind. Weiterhin hat Treezor sein Angebot auch durch die Integration einer Reihe von Dienstleistungen erweitert, die von anderen Unternehmen der Société Générale-Gruppe, wie z. B. Kredite von Franfinance, angeboten werden und durch eine API-Schnittstelle verfügbar sind.
Welche Entwicklungsziele verfolgen Sie in Bezug auf das Angebot?
Didier Lallemand: Unsere erste Herausforderung besteht darin alle Zahlungsbedürfnisse unserer Kunden zu erfüllen, unabhängig davon, ob es sich um 100 % digitale Start-ups, große Unternehmen oder Händler etc. handelt. Um diesen Bedürfnissen gerecht zu werden, wollen wir alle Zahlungsdienste abdecken, welche von der Scheckverwaltung bis hin zu Buy Now Pay Later (BNPL)-Zahlungsmöglichkeit, einschließlich der Ausstellung und des Erwerbs von Bankkarten, Überweisungen, Lastschriften und bald auch der Zahlungsauslösung über die speziellen PSD2-APIs reichen soll.
Julien Maldonato: Eine der Zahlungsarten, die sich in den kommenden Jahren stark entwickeln wird, sind die Lösungen von BNPL. Diese Zahlungsmöglichkeit ist ein wirksames Mittel, um sowohl den Kunden als auch den Händlern einen Mehrwert zu bieten: Die Kunden können ihre Einkäufe flexibler bezahlen und die Händler haben ein Instrument, das den Verkauf erleichtert. Zumal das Wachstum des digitalen Konsums (die COVID-19-Gesundheitskrise hat zu einer Beschleunigung der Dematerialisierung von Zahlungen im Jahr 2020 geführt) nahelegt, dass sich diese Zahlungslösungen in den kommenden Jahren stark entwickeln werden.
Planen Sie, Dienstleistungen für Kryptowährungen zu entwickeln?
Didier Lallemand: Treezor hat bereits Kunden mit Kryptowährungen im Portfolio. In der Tat nutzen einige Krypto-Tauschbörsen (Plattformen, die es ermöglichen FIAT-Währungen – zum Beispiel den Euro – in Kryptowährungen umzuwandeln) die Wallets von Treezor, um die von ihren Kunden erhaltenen Euro-Beträge zu kontieren. Über diesen Anwendungsfall hinaus bietet Treezor derzeit keine Zahlungsdienste in Kryptowährungen an. Dies könnte jedoch ein Bereich sein über den man in Zukunft nachdenken wird, insbesondere mit der Entwicklung von Stablecoins (Kryptowährungen, deren Wert stabil und durch Einlagen garantiert ist), die viele Ähnlichkeiten mit elektronischem Geld haben.
Julien Maldonato: Die Entwicklung von Kryptowährungen und allgemeiner von Web 3.0-Technologien ist die nächste Revolution im Finanzsektor. Die Finanzakteure sind bereits heute mit der Entwicklung von Kryptowährungen konfrontiert: Ihre Kunden können Euro-Gelder zurückführen, deren Kapitalgewinne in Kryptowährungen realisiert wurden. Sie müssen dann in der Lage sein die Herkunft der Gelder zu Zwecken der Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierung Bekämpfung nachzuweisen. Ein zweiter Anwendungsfall besteht darin Euro-Konten zu eröffnen, um die Gelder der Kunden der Börsenplattformen zu verwalten. Auch in diesem Fall muss die Herkunft der Gelder der Börsenplattformen überwacht werden. Es gibt auch immer mehr Marktteilnehmer, die ihre eigenen Kryptowährungsdienste anbieten: Revolut bietet den Kauf und Verkauf von Kryptowährungen an, Lydia bietet die Investition in Anteile an digitalen Vermögenswerten an, die Banque Casino hat mit Hilfe der Societe Generale einen stabilen, durch den Euro gedeckten Coin, den Lugh, eingeführt…
Welche Auswirkungen hat die PSD2 auf Ihr Unternehmen?
Didier Lallemand: Für Treezor bietet die PSD2 eine Vielzahl von Chancen, denn durch sie können wir die Finanzwelt in andere Bereiche und Industrien einbinden und dadurch unser Dienstleistungsangebot erweitern. Die Account Aggregation API (AISP) ermöglicht zum Beispiel die automatische Berechnung des Kredit-Scores eines Kunden und damit eine sofortige Bewertung seiner Kreditwürdigkeit, und die Payment Initiation API (PISP) erlaubt es, z.B. im Rahmen eines KYC Prozess (Know Your Customer) u.a. mittels einer Referenzüberweisung die Existenz einer Person anhand eines schon bestehenden Bankkontos zu überprüfen.
Auf dem französischen Markt gibt es darüber hinaus eine hohe Nachfrage nach der Zahlungsauslösung über API. Überweisungen können so einfacher zur Begleichung von Rechnungen ausgelöst werden und haben den Vorteil, dass sie aufgrund ihrer Unwiderruflichkeit für den Zahlungsempfänger weniger risikobehaftet sind als Lastschriften. Nutzt man dazu SEPA Instant Payments können Überweisungen auch in Echtzeit durchgeführt werden.
Auch wenn Marktstandards für PSD2-APIs geschaffen wurden bleiben die APIs von einer Bank zur anderen heterogen.
Julien Maldonato: In der Tat ermöglicht die Zahlungsauslösung sehr interessante Anwendungsfälle. Sie wird die Bezahlung von Rechnungen erleichtern, indem sie den Lastschrifteinzug oder die wiederkehrende Zahlung per Kreditkarte ersetzt. Der Kunde erhält einen Link (per SMS, E-Mail, WhatsApp…), der die zu zahlende Rechnung beschreibt und ihn auffordert, auf eine Schaltfläche zu klicken oder einen QR-Code zu scannen, um die Zahlung auszuführen. Die Überweisung wird dann mit dem vom Händler gewählten Wortlaut eingeleitet, was den Abgleich erleichtert. Das RTP-Protokoll (Request-to-Pay), das ab 2023 zur Verfügung stehen soll, wird die Entwicklung und Einführung dieses Anwendungsfalls beschleunigen.
Was ist Ihr Ziel für die internationale Entwicklung?
Didier Lallemand: Die internationale Expansion ist ein wichtiges Thema für Treezor. Ziel ist es, die in Frankreich angebotenen Dienstleistungen in anderen europäischen Ländern zu replizieren, um uns als europäischen Akteur im Bereich Embedded Finance zu positionieren. Treezor begleitet sowohl seine französischen Kunden, die in Europa niedergelassen sind, als auch Kunden innerhalb der EU, die sich speziell in Frankreich niederlassen wollen. Treezor kann durch seine Lizenzen und das EU Passporting im europäischen Raum agieren. Treezor hat Niederlassungen in Deutschland, Spanien und Italien um die kommerzielle Präsenz, sowie die Beziehungen zu anderen Regulierungsbehörden innerhalb der EU (BaFin, Bank of Spain, Bank of Italy) auszubauen.
Treezor-CEO Didier Lallemand (links) und Julien Maldonato, Deloitte FSI Partner (rechts)
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